Alain de Botton - Der Lauf der Liebe

Buchtitel: Der Lauf der Liebe

Autorin: de Botton, Alain

Jahrgang: 1969

Nationalität: GB/CH

Erscheinungsjahr: 2016

Verlag: S. Fischer - Frankfurt am Main

Seiten: 286


In goldenen Lettern prangt der Titel des Buches auf einer meeresgrünlichen Unterlage: «Der Lauf der Liebe». Der schweizerisch-britische Philosoph schreibt einerseits die Geschichte einer Beziehung beziehungsweise eines Beziehungsverlaufs zwischen einem Mann und einer Frau auf und lässt andererseits und gleichzeitig in regelmässigen Abständen eigene, teils wissenschaftlich unterlegte Betrachtungen über das gerade von Rabih und Kirsten (den Protagonisten) erlebte Geschehen einfliessen. Es entstehen zwei Erzählebenen, die sich zwar grössenteils überlagern, aber aus einem anderen Blickwinkel geschrieben sind. Der Leser folgt Rabih und Kirsten vom zarten Beginn einer Liebe, über die ersten Gehversuche in der Beziehung, hin zu einer gefestigten Partnerschaft mit Familienleben und Kindern und sieht die Entwicklung bald aus der Sichtweise des Partners, bald aus jener der Partnerin. Gleichzeitig nimmt der Autor Einschübe in die Geschichte vor, die denAblauf unterbrechen und eine Art «objektivierten» Blickwinkel bieten. Am Ende – und nach einer Reihe von gegenseitigen Verletzungen – kommt dem Paar Hilfe von aussen zu Gute und de Botton beschliesst seinen Liebensroman mit einem durchaus klassischen Happy End.


Pro

De Botton führt den Leser mit einer leichten, flüssigen Sprache durch die Liebesgeschichte von Rabih und Kirsten und zeigt an ihnen auf, wie Liebe sich durch verschiedene Phasen entfaltet und verändert. Die Liebesgeschichte von Rabih und Kirsten habe ich gerne gelesen, denn ich erkannte mich und meine Beziehung in den einzelnen Phasen wieder. Bei den Konflikten fieberte ich mit und machte mich in Konflikten für Kirsten stark. Am Schluss kam dennoch die Erleichterung über das Happy End, denn ein Happy End gefällt und gibt Hoffnung. De Botton liefert alles, was zu einer klassischen Liebesgeschichte gehört, die mit philosophischen Pausen angereichert wurde, in denen einzelne Szenen des Ehelebens von Kirsten und Rabih exemplarisch näher beleuchtet und erläutert werden. Es ist das perfekte Buch zum Frühlingsbeginn, der ja bekanntlich wieder viele Herzen schneller schlagen und Schmetterlinge durch den Bauch fliegen lässt. Nach dem Fischer Verlag ist die Liebe übrigens grün und goldig, wie das grün der Frühlingswiese und das Gold der Sonne. Ein schönes Buch für alle, die die Liebe lieben und etwas über die Liebe lernen möchten.

Wibke


Contra

Wer sich in Rabih und Kirsten, den Protagonisten des Buchs, nicht wiedererkennt, der hatte noch nie eine längere Beziehung. Der Wiedererkennungseffekt hat aber einen hohen Preis: die Vorhersagbarkeit, die Langeweile. De Bottons Ansatz, nicht nur die Anfänge der Beziehung von Rabih und Kirsten zu erzählen, sondern die ganze Geschichte, den «Lauf der Liebe» durch die Jahrzehnte eben, ist eigentlich ja interessant. Er führt aber dazu, dass die Geschichte nicht eigentlich erzählt, sondern durchexerziert wird. Lebensphase um Lebensphase. Die Protagonisten sind keine Individuen, sondern bleiben Anschauungsmaterial für erklärende bis moralisierende Einschübe, die sich auch typographisch vom übrigen Text unterscheiden. Diese eingeschobenen Betrachtungen stützen sich –mal implizit, mal explizit – auf wissenschaftliche Forschung. Einige von ihnen belehren einen über diese oder jene psychologische Studie, was man gerne mitnimmt. Andere sind ärgerlich pauschal. De Botton erklärt einem beispielsweise auf weniger als einer Buchseite das Konzept der Monogamie in der «westlichen Welt» und spannt dabei einen Bogen von den «alten religiösen Positionen des Christentums», über die «Ideologie der Romantik» bis in die Gegenwart. Soll man das Buch also als «Therapeutenpoesie» abtun, wie in mehreren deutschsprachigen Feuilletons geschehen? Die harsche Kritik resultiert aus einem Missverständnis, oder eher: einem Etikettenschwindel. Denn als Mischung aus Eheratgeber und psychologischem Lehrbuch ist das Buch durchaus originell. Allein, ein Roman, wie die goldenen Buchstaben auf dem Cover versprechen, ist dieses Buch nicht.

Heinz