Bernhard Schlink - Olga

Buchtitel: Olga

Autor: Bernhard Schlink

Jahrgang: 1944

Nationalität: DE

Erscheinungsjahr: 2018

Verlag: Diogenes (Zürich)

Seiten: 320

 

Mit Siebenmeilen-Stiefeln beschuht führt uns Bernhard Schlink, emeritierter Rechtsprofessor und Bestsellerautor, durch 100 Jahre deutsche Geschichte: vom Kaiserreich über koloniale Abenteuer und Nationalsozialismus bis hin zu den Umwälzungen der 1960er-Jahre. Es ist gleichzeitig ein Roman über eine Frau und ihre Liebe zu einem deutschen Mann. Ihr Name ist Olga und sein Name ist Herbert. Sie lebt ein bescheidenes Leben, er verliert sich in den grossen Träumen seiner Zeit in afrikanischen und arktischen Eskapaden. Gewohnt episodenhaft spannt Schlink einen weiten Bogen, gebaut aus grossen Themen: Liebe, Schuld – und aus den Gespenstern der Vergangenheit, die nicht aufhören an die Tür zu klopfen, bis es schliesslich zum folgenschweren Knall kommt.

  

Pro

Ein junger Mann, eine ältere Frau, Geheimnisse der Vergangenheit … Hat Bernhard Schlink einen zweiten «Vorleser» geschrieben? Keineswegs! Auf den ersten Blick sind Parallelen ersichtlich, die sich bei genauerem Hinsehen verflüchtigen. Schlink hat mit «Olga» die Lebensgeschichte einer starken Frau geschaffen. Und das in einer leichten, luftigen Sprache, dass die Seiten beim Lesen nur so fliegen. Olga geht von Kindesbeinen an ihren Weg, der so beschwerlich scheint und doch ganz natürlich ist. Die Leichtigkeit und Natürlichkeit in Olgas Lebensgeschichte entsteht nicht durch die Ereignisse – diese sind alles andere als leicht verdaulich – sondern durch Schlinks fliessenden, beinahe eilenden Erzählstil. So gehen die Emotionen bisweilen verloren, und doch blitzen sie hie und da auf. Zum Beispiel, als Olga und Herbert in der Stube sitzen, Eik im Bettchen daneben. Olga laufen die Tränen übers Gesicht und die Leserin fühlt, was in ihr vorgeht. Derart intensive Szenen gibt es einige im Roman – sie ergänzen die leichtfüssig erzählten Passagen und vervollständigen sie, sodass der Roman zu einem süffigen und doch nachhallenden Genuss wird.

Sara



Contra

 Man wird nicht so richtig warm mit diesem Buch. Liegt es daran, dass es – mit einer einzigen Ausnahme – keine humorvolle Stelle bereithält? Oder dass es für eine Liebesgeschichte zu wenig Erotik, zu wenig Eruption, keine Gefühle und keine Höhepunkte enthält? Wo Figuren mit Leben gefüllt werden könnten, bleibt Schlink lieber distanziert. Mit seiner etwas pädagogisch gefärbten Erzählweise können weder die Geschichte noch die durchaus interessant angelegten Figuren haften bleiben. Die Geschichten sind von oben herab konstruiert, vom Grossen zum Kleinen angelegt, ganz nach Juristenmanier fast bis zur Unkenntlichkeit seziert und kleinteilig zerlegt. Dabei kann keine Entwicklung stattfinden, weder bei den Figuren noch beim Leser. Es liest sich wie ein wohlgestaltetes Plädoyer, doch wofür? Das Buch lässt keinen Raum für das grosse Ganze. Wenn der Autor zudem die moralischen Vorstellungen seiner Figuren ungefiltert übernimmt, können weder den Figuren noch dem Buch Flügel wachsen. Zu sehr scheint dann hinter dem Erzählten ein wohlmeinender Autor und dessen Zeigefinger hindurch. Mit vornehmer Blässe hat noch kein Autor die Herzen seiner Leser erobert. 

Markus