Concetto Vecchio - Jagt sie weg!
Titel: Jagt sie weg! Die Schwarzenbach-Initiative und die italienischen Migranten
Autor: Concetto Vecchio
Geburtsjahr: 1971
Übersetzung: Walter Kögler
Verlag: Orell Füssli
Seiten: 224
Mit seinem Buch über ein Kapitel der italienischen Migration gibt der Journalist und Autor Concetto Vecchio einen Einblick in die Schweiz der 1960er-Jahre. Wirtschaftlicher Aufschwung und damit dringend benötigte Arbeitskraft aus dem Ausland clashten damals mit der Begrenzung der Einwanderung und Fremdenfeindlichkeit, die in der knappen Ablehnung der «Schwarzenbach-Initiative» einen Höhepunkt findet, zusammen. Spuren dieser Zeit ziehen sich bis ins Heute – in der Schweiz und anderswo.
Pro
Man darf jedes Buch kritisieren, nach Inhalt, Formalia, Sprache und weiteren Kriterien. Doch gibt es Bücher wie dieses, bei dem denen der Inhalt gesellschaftlich so relevant ist, dass jede Detailkritik kleinlich wirken muss. Das Buch von Concetto Vecchio bietet ein Puzzle von gut recherchierten und nahe am Leben erzählten Episoden aus der italienischen Migration in der Schweiz, wobei die Geschichte seiner Eltern das erzählerische Rückgrat bildet. Der Blick des Autors ist ein italienischer: «Quando i migranti eravamo noi» lautete der Untertitel der Originalausgabe. Hier hatte einer beim Schreiben die italienische Migrationspolitik von heute im Hinterkopf und überhaupt grössere Zusammenhänge im Blick. Was er schreibt, zu abgehängten Regionen in Süditalien, zur Xenophobie in der Schweiz, zu James Schwarzenbach, ist eigentlich bekannt. Eigentlich, denn beschämend ist es schon, wie wenig diese unrühmlichen Aspekte der jüngeren Schweizer Geschichte heute noch präsent sind, wie wenig man davon weiss. Wie war das schon wieder damals mit den Italienern? Nach der Lektüre von Concetto Vecchios Buch hat man viel zu sagen zu dieser Frage.
Heinz
Contra
Wer war doch wieder diese Antonella? War es die Frau vom Giuseppe oder vom Lino? Und was haben Concettos Eltern eigentlich mit ihr zu tun? «Jagt sie weg» bietet viele Einblicke in das Leben der italienischen Saisonniers der 1960er-Jahre. Es bietet aber auch die Andeutung einer Charakterstudie zu James Schwarzenbach, ein paar historische Fakten, eine Prise Autobiografie … «Jagt sie weg» ist von allem ein bisschen, aber nichts so richtig. Durch den steten Wechsel in Ton, Thema und Charakter der Erzählung verliert die Leserin schnell den Überblick und weiss nicht so recht, woran sie sich halten soll. Das ist sehr schade, denn es gäbe viel zu erzählen zum Thema Immigration in den 1960er-Jahren. Ebenso beweist Vecchio in einigen Passagen ein ausgesprochenes Talent für treffende Beschreibungen und für die Kontextualisierung der widersprüchlichen Persönlichkeit James Schwarzenbach. Und nicht zuletzt wären die Schicksale und historischen Ereignisse rund um die Schwarzenbach-Initiative ein hervorragendes Beispiel, um den Schweizerinnen und Schweizern die Art von struktureller Diskriminierung vor Augen zu führen, unter der heutzutage andere Gruppen von Immigranten zu leiden haben. Doch Vecchio verpasst diese Möglichkeit, nicht zuletzt, weil sein Buch in erster Linie für eine italienische Leserschaft geschrieben wurde.
Sara