Donna Leon - Ewige Jugend

Buchtitel: Ewige Jugend

Autorin: Donna Leon

Jahrgang: 1942

Nationalität: USA

Erscheinungsjahr: 2016

Verlag: Diogenes

Seiten: 336


Zum 25. Mal ermittelt Commissario Brunetti in der romantischsten Stadt Italiens, Venedig. Durch die Mutter seiner Frau gerät Brunetti in ein Treffen der venedischen High Society und wird dabei mit einem neuen Fall beauftragt. Vor 15 Jahren ist die Tochter einer Contessa, die sich finanziell grosszügig für die Erhaltung der Stadt einsetzt, in einen Kanal gefallen und hat aufgrund des Sauerstoffmangels bleibende geistige Schäden. Sie wird durch den Unfall zur ewigen Jugend im Geiste gezwungen. Brunetti soll herausfinden, ob es sich tatsächlich um einen Unfall handelte, da doch eben diese Tochter an einer ausgeprägten Wasserphobie litt. Während der Ermittlungen trifft auf einflussreiche Personen, es geschieht sogar ein Mord. Parallel dazu muss sich Brunetti auch um kleinere Fälle kümmern, z.B. um die neuen Afrikaner in der Stadt, die anscheinend Schülerinnen bedrängen, so auch seine eigene Tochter, oder um ein illegales Puff. Der Leser erhält somit Einblicke in den Alltag eines venedischen Commissarios und erfährt auch etwas über das Privatleben des Commissario; über die Sorgen und Diskussionen zuhause mit seinen Kindern und, dass seine Frau, obwohl engagierte Dozentin an der Universität, trotzdem jeden Abend ein aufwendiges, italienisches Gericht kochen kann.


Pro

Es ist ein bisschen wie eine amerikanische Serie schauen. Keine der neuen, verschachtelt erzählten Serien, eher wie eine Sitcom aus den 90ern wie die «Cosby Show» oder «Friends». Zugegeben, das neueste Machwerk der Autorin, «Ewige Jugend» ist das erste Buch der von Donna Leon, das ich gelesen habe. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen einen der 24 ersten Fälle des Commissario Brunetti zu kaufen oder gar zu lesen. Nun weiss ich, dass ich etwas verpasst habe: Keine grosse Literatur, aber ein gemütliches Wohnzimmer in Buchform. Bei erfahrenen Brunetti-Lesern (wohl häufiger: Leserinnen) stellt sich wahrscheinlich ein wohliges Gefühl des Nachhausekommens ein, wenn sie das Buch aufschlagen und dem sympathischen Kommissar bei seinen Ermittlungen durch die Kanäle, Gassen und Adelshäuser von Venedig folgen. Ich stelle mir das schön vor, schöner jedenfalls als sich durch das Buchgeschrei beispielsweise einer Elfriede Jelinek den wohlverdienten Feierabend zu versauen. Das Buch «Ewige Jugend» sucht nicht die Verstörung, sondern das Beschauliche. Nicht zufällig spielen die Kriminalromane in Venedig. Venedig kennt man. Auch wenn man noch nie da war. Venedig ist schön. In Minsk würde Brunetti wohl nicht funktionieren. Die Autorin weiss um den Wert der Wiedererkennung und der Wiederholung. Brunetti altert nicht. Und tut, so vermute ich, in jedem Buch mehr oder weniger dasselbe. In dieser Endlosschlaufe liegt auch eine Prise Humor. Vermutlich muss man ab dem zweiten Buch lachen, wenn Brunetti und sein Vorgesetzter, der eitle Vice-Questore Giuseppe Patta, wieder einmal aneinandergeraten. «Typisch Brunetti», denkt man dann wahrscheinlich.

Heinz


Contra

Es ist ein bisschen wie «Columbo» schauen: Zuerst braucht man drei Minuten um herauszufinden, wer der Mörder ist und die restliche Zeit des Krimis fragt man sich, auf welcher Gesichtshälfte beim Kommissar wohl das Glasauge sitzt. Donna Leon hinterlässt neben einer fahrigen Kriminalstory in Commissario Brunettis 25. Fall «Ewige Jugend» nämlich nicht viel Substantielles, worüber sich inhaltlich streiten liesse. Ewig sind vor allem die aufgezeichneten Gespräche von Brunetti mit seinen Kollegen in der Questura und mit den Verdächtigen. Zu einem literarisch wertvollen Plot tragen diese nicht bei, wie auch die allzu vielen Details einen «süffigen» und geradlinigen Fortgang der Geschichte verhindern. Das Anliegen von Donna Leon scheint zu sein, die Leser(innen) mit ihren Geschichten nicht zu überfordern. Dass die amerikanische Schriftstellerin und mit ihr ihre Bücher in Venedig weitgehend unbekannt sind, ist ein immer wieder kolportierter Fakt. Verwunderlich ist dies nicht, denn kein Stadbürger wird sich gerne die vielen Vorurteile in so konzentrierter Form vorhalten lassen wollen. Ob der vielen Klischees, auf die sich in ihren Büchern mit einer nicht abstreitbaren Oberlehrerhand hinweist, möchte man fast glauben, dass alle Venezianer entweder einer versunkenen Aristokratie angehören, Teil der Tourismusmafia sind oder als von der bösen fremden Welt vergessene Alkoholiker enden. Die guten Menschen in Venedig scheint man einzig in der Questura oder bei Brunettis zu Hause anzutreffen. Von letzterem Ort gehen denn auch die einzig guten Sprüche in diesem Krimi aus - die flotten Einwürfe der zauberhaften Hausfrau, Mutter und Alleskönnerin Paola Brunetti. Sie tragen immerhin dazu bei, dass man beim nächsten Mal lieber Donna Leons Kochbuch lesen möchte.

Markus