Elke Heidenreich - Männer in Kamelhaarmänteln
Titel: Männer in Kamelhaarmänteln. Kurze Geschichten über Kleider und Leute
Autorin: Elke Heidenreich
Geburtsjahr: 1943
Nationalität: D
Verlag: Hanser
Seiten: 224
Elke Heidenreich schreibt über Kleider und Anekdoten, die sich daraus entspinnen können. Da ist ein jägergrünes Jackett mit Goldknöpfen, das die aufkeimende Verliebtheit sofort erstickt, da ist eine ganze Armee an Anzugshosen, die der geprellten Ehefrau zum Opfer fällt und da ist ein Duchessekleid, das die 16jährige Elke zur Königin Viktoria des Abschlussballs werden lässt. Einige der «kurzen Geschichten über Kleider und Leute» sind autobiografisch, andere scheinen reine Fiktion zu sein. Doch sind die Anekdoten wirklich so tiefgründig, wie der Verlag sie auf dem Klappentext verkauft? Oder handelt es sich hier eher um schnell aufs Papier geworfene Banalitäten?
Sara
Pro
Unterhaltsam erzählt Elke Heidenreich über Kleider und die Menschen, die in ihnen stecken. Ihr neustes Werk ist ein Potpourri mit zahlreichen Geschichten, die über die Mode und das Leben erzählen. Manche dieser Stories sind sehr kurz, manche etwas länger, aber alle sind kurzweilig. Häufig geht es um berühmte Leute, von denen die Autorin die eine oder den anderen näher kennt (oder eben auch gerade nicht). Meine Klatschblättchenbegeisterung wurde geweckt – ihr zu frönen machte bei der Lektüre grossen Spass. Promi-Anekdoten, die mit gescheiten und unterhaltsamen Zitaten angereichert sind, gefallen mir.
Davon heben sich dann aber vor allem die autobiografischen Geschichten ab. Natürlich waren auch bei einigen dieser Episoden Promis dabei – unter ihnen Susan Sontag, T.C. Boyle und Karl Lagerfeld – diese verbindet sie dann aber immer mit berührenden Erzählsträngen.
Man würde jedoch etwas verpassen, wenn man sich nur auf die Promi-Geschichten beschränken würde. Gerade, wenn die Autorin liebevoll aber nicht unkritisch von ihren Liebsten und vor allem auch von sich selber erzählt, zeigt sich, wie kunstvoll sie ihre Beobachtungen zu Papier zu bringen vermag.
Tilena
Contra
Es mag schon sein, dass Kleider und Kleidung einen reichen Nährboden bieten für Geschichten. Nicht bloss für oberflächliche Stories oder banale Vergleiche. Nur, Elke Heidenreich – mit Verlaub – macht mit diesem Buch den Eindruck einer etwas aggressiven, angejahrten Plaudertasche mit einem Sinn für den Holzhammer zwar, aber nicht für das Leben, das hinter der wichtigsten Begleiterscheinung von Menschen steckt, hinter deren Hosen, Hüten, Pullovern und Négligés. Manche Geschichten scheinen als schlechter Abklatsch einer bereits dutzendfach erzählten Räubergeschichte, andere als schnell hingefetzte Erzählung eigentlich liebevoller Romanzen. Da schleichen sich falsche Zitate ein, Fehler, über die man bei guten Romanen oder Büchern hinwegsehen würde, wie über die etwas zufällig und ohne grosse Sorgfalt ausgewählten Bilder und Fotografien oder das allzu plumpe Cover von «Männer in Kamelhaarmänteln». Aber bei diesem Buch lässt mich das Gefühl nicht los, dass Elke Heidenreich als Autorin doch nicht ganz so abgeklärt, und trotzdem so facettenreich ist, wie sie mit ihren Geschichten den Anschein machen will. Es ist alles mehr Schein als Sein; ja auch Kleider können diesen «Makel» durchaus haben, einige allseits bekannte Marken stechen in dieser Hinsicht hervor. Aber eines haben sie den Geschichten von Heidenreich voraus: Kleider wollen mit ihrem Schein nichts verdecken, sie begnügen sich mit ihrer Rolle, nicht das Beste oder das Schlechteste, sondern das eigentliche Wesen ihres Trägers dem Auge des Betrachters zu offenbaren.
Markus