Ferdinand von Schirach - Kaffee und Zigaretten
Buchtitel: Kaffee und Zigaretten
Autor: Ferdinand von Schirach
Jahrgang: 1964
Nationalität: DE
Erscheinungsjahr: 2019
Verlag: Luchterhand
Seiten: 190
Mit 48 unterschiedlich langen Geschichten legt Ferdinand von Schirach nach Erzählbänden und Romanen eine Sammlung von neuen oder bereits veröffentlichten Texten vor, in denen er Alltägliches und Aussergewöhnliches verarbeitet und beschreibt. Die Themen sind breit gestreut, handeln oft von Vergänglichkeit, aber auch von Philosophie, Geschichte und Politik sowie manchmal von Liebe und Trauer. In gewohnt lakonischem Ton breitet von Schirach persönliche Anekdoten und Gedanken zu aktuellen Weltereignissen aus. Die einzelnen Kapitel sind kurz und bündig; sie reichen von wenigen Zeilen bis zu mehreren Seiten. Der Leserschaft gerät durch die Lektüre der zusammenhangslosen Stücke mehr und mehr in den Bann der charakteristischen Sprache und Erzählform von Schirachs.
Pro
Ferdinand von Schirach zeigt sich als Meister der kurzen Form. Seine in diesem Buch versammelten Texte sind intelligentes und anregendes Feuilleton, das nie geschwätzig wird. Mal kommt es als kurze Sentenz, maI als erbauender Essay oder juristische Fallgeschichte daher. 48 kurze Kapitel, ohne Titel und ohne sichtbaren äusseren Zusammenhang. Doch «Kaffee und Zigaretten» ist nur vordergründig ein leichtes Buch. In den Zwischenstellen ahnt man Abgründe. Aber die muss man nun wirklich nicht aussprechen. «Sich selbst zu lieben, das ist zu viel verlangt. Aber die Form zu wahren, es ist unser letzter Halt.» So schreibt von Schirach in einer wunderbaren kurzen Anekdote über den ungarischen Schriftsteller Imre Kertész. Solch verdichtete Einsichten durchziehen das Buch. Es sind kleine Fetzen des Verstehens in einer undurchsichtigen Welt. Schirach weiss auf den passenden Worten zu bestehen. Und diese sind zumeist die einfachen Worte: Bei von Schirach ist ein Messer ein Messer und nichts Anderes, die Nacht die Nacht, der Himmel der Himmel. «Das Komplizierte, so wird uns gesagt, sei das Wertvolle. Aber das ist Unsinn. In Wirklichkeit ist das Einfachste das Schwierigste.»
Heinz
Contra
«The woods are lovely, dark and deep …» – mit einem Zitat von Robert Frost startet man in die Geschichten. Einige Meilen geht man wirklich in dieser nur scheinbar sortierten Sammlung von Anekdoten und Artikel. Es ist zwar durchaus interessant, sich in den Texten zu verlieren, jedoch überlegte ich beim Lesen immer wieder, was mir denn die Kapitelüberschriften («Eins», «Zwei» – und so weiter) über die Komposition sagen könnten. Welchen Sinn und Zweck hat eine solche Aneinanderreihung von Geschichten?
Wie die Mischung der Texte werden auch der Autor und seine Meinungen nur selten fassbar. Und wenn mal was durchblitzt, sind die Erläuterungen eher auf der platten und moralisierenden Seite. Das ist schade. Ab und zu wäre es schön gewesen, etwas über die Person hinter den Texten zu erfahren und nicht bei persönlicheren Passagen die Welt erklärt zu bekommen. Da passt die Tagebuchform nicht zum distanziert-abgehobenen Inhalt. Ein nahbarerer Ferdinand von Schirach hätte mir gefallen.
Tilena