Franziska Schutzbach – Die Erschöpfung der Frauen
Titel: Die Erschöpfung der Frauen. Wider die weibliche Verfügbarkeit
Autorin: Franziska Schutzbach
Nationalität: CH
Jahrgang: 1978
Verlag: Droemer Knaur
Seiten: 304
Die Frauen sind in der heutigen Gesellschaft geforderter denn je: Sie müssen die perfekte Mutter sein, sich in einer patriarchalen Gesellschaft behaupten, den Haushalt führen, die Eltern pflegen, die eigenen Kinder aufrichtigen lieben, dem Ehemann eine gute Ehefrau und Liebhaberin sein. Die Liste ist nicht abschliessend, sie zeigt jedoch auf, an wie vielen Fronten Frauen sich mit Normen, Erwartungen und Widerständen auseinandersetzen müssen. Frauen werden pausenlos beansprucht und müssen jederzeit (emotional und körperlich) verfügbar sein, nicht nur in sexueller Hinsicht. Warum dies zu einer Erschöpfung und Überforderung führen kann, zeigt Franziska Schutzbach in ihrer neuen Publikation. Sie führt die Leserin durch Themen wie Care Arbeit, Mental Load, Fat Shaming, Mutterschaft, Gender Gap Pay und viele mehr.
Pro
Franziska Schutzbach beleuchtet die Erschöpfung der Frauen
sorgfältig, differenziert, wissenschaftlich unglaublich fundiert und auf
verschiedensten Ebenen. In den ersten Kapiteln setzt die Autorin die theoretischen
Leitplanken, während sie im zweiten Teil sehr konkret wird. Besonders die
Kapitel vier bis sieben zu Körper, Mutterschaft, Beruf und Mental Load bieten
Einblicke, in denen ich mich und meine Umwelt wiedererkannte. Immer wieder
dachte ich bei Lesen: «Ja, genau!» – und das wirkt bestärkend. Ein solcher
Rundumblick zu Faktoren, die alle FINTA – und nicht nur wie im Titel genannt:
Frauen – erschöpfen, tut allen Lesenden gut.
Die Lektüre lohnt sich besonders für einen Einstieg ins Thema, bietet aber auch
für Personen mit mehr Wissen zum Feminismus neue Inputs.
Tilena
Contra
Zweifelsohne ein wichtiges Thema und trotz der folgenden Kritikpunkte eine insgesamt lohnenswerte Lektüre. Allerdings bleibt bis zuletzt unklar, wer genau das Zielpublikum ist: Für die ewig Gestrigen, die nicht verstehen, was Feminismus eigentlich ist, ist es zu wenig süffisant geschrieben und zu stark zugespitzt auf das Erschöpfungsmoment – Spass macht das nicht. Und für diejenigen, die sich dem Thema bereits angenähert haben, ist Bestehendes wissenschaftlich fundiert auf den Punkt gebracht, ganz neue Erkenntnisse bringt die Lektüre aber nicht. Der Aufbau mit abstrakteren Abhandlungen in der ersten und konkreteren Themen in der zweiten Hälfte könnte zu Beginn motivierte Lesende abschrecken – wer unsicher ist, sollte also direkt mit dem zweiten Teil einsteigen.
Auf Dauer etwas ermüdend (um nicht zu sagen erschöpfend) ist der Fokus auf die Erschöpfung. Damit wird eine Opferlegende reproduziert, die auf viele Frauen nicht zutrifft. Es scheint, als schreibe das Buch seinen Leserinnen vor, welche Gefühle als Reaktion auf bestehende Missstände die richtigen sind. Mut, Kraft, Wille zur Veränderung und Wut sind aber ebenso legitim und vermutlich auch hilfreicher. Und nicht zuletzt wirkt die Erweiterung des Begriffs «Frauen» auf FINTA etwas aufgesetzt. Eine Auflösung bestehender Kategorien kann nicht gleichzeitig mit dem Aufzeigen von Benachteiligungsstrukturen genau dieser Kategorie erfolgen – zumindest nicht, wenn die Auflösung der Kategorie in Klammerbemerkungen und einzelnen Nebensätzen geschieht.
Olga