Gian Maria Calonder - Engadiner Hochjagd


Titel: Engadiner Hochjagd

Autor: Gian Maria Calonder a.k.a Tim Krohn

Geburtsjahr: 1965

Verlag: Kampa Verlag

Seiten: 192


Gian Maria Calonder hat einen Lokalkrimi geschrieben, wie er im Buche steht. Die Krimis rund um Massimo Capaul spielen im Engadin – diesmal geht es ins Unterengadin: Am Linard Pitschen in Lavin gab es einen Felssturz. Massimo Capaul soll die Kollegen vom Posten in Zernez bei der Suche nach einem Vermissten unterstützen. Bei seinen Gesprächen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern von Lavin stösst Capaul auf eine Wand des Schweigens, die höchstens Platz lässt für Andeutungen. Ein typisches Bergdorf eben: Man hält zusammen, die Auswärtigen müssen nicht alles erfahren – und die Unterländer erst recht nicht. Was aber hinter vorgehaltener Hand doch erzählt wird: «Endlich hat Tumasch sterben können, er war ja nicht mehr derselbe nach dem Tod seines Sohnes.» Der vermisste Tumasch wird voreilig für tot erklärt, damit seine Witwe Meta schneller eine Witwenrente erhält. Es ist ihr ja nur zu gönnen nach den ganzen Tragödien der letzten Jahre. Doch was geschah damals wirklich mit ihrem Sohn? Und was haben die damaligen Jagdkollegen damit zu tun? Als kurz nach Tumaschs Verschwinden zwei weitere Personen ums Leben kommen, meint Capaul Zusammenhänge zwischen den drei vermeintlichen Unfällen zu erkennen. Capaul beginnt, auf eigene Faust Nachforschungen zu betreiben.

Sara


Contra

Gian Maria Calonder: So künstlich wie das Pseudonym von Tim Krohn wirkt leider auch der dritte Fall von Massimo Capaul. Der ganze Krimi fühlt sich an wie rosa Zuckerwatte. Zu klebrig, zu süss und zu rosa. Zwar, bei Krohn ist sie rot, rot wie Saharastaub. Denn dieser bringt die Handlung ins Rollen und zwar wortwörtlich mit einem Felssturz. Oder gibt es da gar keinen Zusammenhang zwischen den Naturereignissen? Massimos Wirtin Bernhild meint: «(…), es ist eine Krankheit gewisser Leute, dass sie überall krampfhaft Zusammenhänge suchen.» Woraufhin Massimo entgegnet: «Zusammenhänge sind doch schön!» Und so versucht Massimo übereifrig und überall, Zusammenhänge herzustellen. Doch wirken diese häufig künstlich und erzwungen. So wie der gesamte Krimi, der eigentlich mit der Lösung des Falls hätte enden können, jedoch künstlich weiter in die Länge gezogen wird und dann zum reinen Seitenfüller wird. Es drängt sich die Frage auf, ob sich der Autor verzweifelt an eine starre Seitenvorgabe des Verlags gehalten hat. Und dabei vergass, dass Lokalkrimis nicht nur vom Namedropping der Ortschaften leben, sondern von auch von der Atmosphäre einer bestimmten Gegend. Das ist Calonder bei all dem Saharastaub tatsächlich abhandengekommen. Ein bisschen rosarote anstatt sahararoter Zuckerwatte hätte es auch getan.

Wibke & Markus


Pro

Zuckerwatte, so rot wie der Saharastaub – verklebt die Engadin-Geschichte von Gian Maria Calonder alias Tim Krohn wirklich die Augen der Krimifans? Ja, es wird mit Stereotypen gearbeitet, aber ist das wirklich so tragisch? Der dritte Roman um Massimo Capaul ist erneut solides Lokalkrimi-Handwerk. Mit dem Felssturz fällt auch die Stabilität in der Dorf-Tal-Gemeinschaft zusammen. Ein Unfall – oder ist es doch ein Vorfall –, der einen Mann zum Sonderling mit Hüftproblem gemacht hat, kommt wieder an die Oberfläche. Wie sich das auflöst, soll hier nicht verraten werden. Der Fall bleibt spannend, sowohl in den grossen Themen (Klimawandel etc.) wie auch in den kleinen Beziehungsgeschichten unter den Menschen. Barbla, Tumasch, Steivan – nicht nur die Personennamen, sondern auch die Orte und Ortschaften sind authentisch angesiedelt, das Lokalkolorit ist stimmig. So fragt man sich nach einem realen Aufenthalt im Restaurant Piz Linard in Lavin, ob denn der Wirt wirklich Emil geheissen hat. Tim Krohn, der in der Region wohnt, ist also sicher nicht vorzuwerfen, dass er seine Kulisse und sein Personal nicht kennt. Dieses Wissen, gepaart mit einem spannenden Fall, ergibt einen süffigen Roman. Dieser ist zwar nicht so gehaltvoll wie die Capuns, aber eine wunderbare Zuckerwatte.

Tilena