Hazel Brugger - Ich bin so hübsch
Buchtitel: Ich bin so hübsch
Autorin: Brugger, Hazel
Jahrgang: 1993
Nationalität: CH
Erscheinungsjahr: 2016
Verlag: Kein&Aber
Seiten: 173
Ein Kolumnenbuch zusammenfassen ist in etwa so, wie eine Tageszeitung zusammenzufassen: irgendwie sinnlos. Vor allem, wenn es in alle möglichen Richtungen sprudelt, wie bei den Kolumnen von Hazel Brugger. Eine überarbeitete Auswahl davon, ursprünglich erschienen im Magazin des
Tages-Anzeigers, der TagesWoche und der Annabelle, ist nun in Buchform erschienen. Das einfach gestaltete Taschenbuch trägt den Titel «Ich bin so hübsch». Hazel Brugger schreibt darin über die Adoleszenz, Metzgerporno und den Hoden von Roger Federer. Sie fragt sich, ob Schwäne Kontaktlinsen tragen, weshalb wir unsere Haustiere mästen, ob Selbstmitleid Scham ersetzen kann und wo die Menschen eigentlich so hingehen nach dem Tod. Hazel Brugger hat einen «eigenwilligen Blick auf die Welt» und «nicht nur eine scharfe Zunge, sondern auch ein grosses Herz». So steht es auf dem Klappentext. Die Schweizer Bestsellerlisten hat die «böseste Frau der Schweiz» damit im Flug erobert.
Pro
Nicht jede Kolumnensammlung schafft es, auch über die einzelnen Kolumnen hinaus lesenswert und witzig zu sein. Dieses Problem besteht bei Hazel Brugger definitiv nicht. Ihre Sammlung liest sich auch aneinandergereiht mit Freude und Kurzweile. Jedes Wort trifft ins Innerste des Schwarzen Humors; die Vergleiche sind von grosser Originalität und die Sprache lebt vom erstaunlich breiten Wortschatz und den daraus entstehenden Bildern. Exemplarisch dafür ist einerseits eine Kolumne mit dem Thema Sterbehilfe, bei der Bruggers Sinn fürs Skurril-Komische exzellent zum Vorschein kommt. Wie sie die Ausführung eines Türkranzes vor dem Haus mit den Stellenprozenten der darin wohnenden Ehefrau verbindet und im nächsten Absatz über das passende Geschenk für eine Sterbenswillige sinniert, führt sie uns in sämtliche Höhen und Tiefen des Kolumnistinnendaseins. In einer weiteren Kolumne andererseits – «Scham im Holozän» – verrät sie mit einer gewagten und klugen Aneinanderreihung von originellen Fragen ihre manchmal vielleicht etwas zu kurz kommende, tiefschürfende Seite. Mit ihren Kolumnen nagt Hazel Brugger an all unseren Enden. Darüber hinaus kommt Brugger mit ihren weitgehend aus dem Alltag schöpfenden Geschichten in eine höhere Sphäre guter Unterhaltung. Sie lässt uns über uns selbst lachen; verliert manchmal ihre Contenance, die sie gleichzeitig auch zur unsrigen macht und bringt uns zu Einsichten und überraschenden Ansichten. Eigentlich das höchste Gut, das man von einem Zwischenhalt in einem Wochenmagazin erwarten darf. Primitive Albernheit sucht man vergeblich; belohnt wird man mit grossartiger Situationskomik. Hazel Brugger wird ihrem Namen und ihrem ihr vorauseilenden Ruf gerecht und schlägt ein neues Kapitel in der Kategorie «Kolumnen» auf.
Markus
Contra
Hazel wurde durch ihre Künste als Poetry Slammerin bekannt. Das ist an sich nichts Neues und das kann Hazel auch gut. Doch Hazel ist mehr als das, sie ist eine Marke. Mit ihrer eigenen Show tourt sie durch die Schweiz, ein fixer Sendeplatz in einer deutschen Talkshow ist ihr garantiert und alle 14 Tage kann man ihre Tageskolumne im Tagi-Magi lesen. Sie wurde als Nachwuchsjournalisten und als eine der einflussreichsten Schweizer Künstler ausgezeichnet. Nicht unbedingt verdient. Eine gewisse Sprachbegabung und Wortwitz kann ihr ja zugeschrieben werden, aber aus der Masse sticht Hazel definitiv nicht heraus. Sie entwickelt nichts noch nie dagewesenes, sondern erklärt ohne Scham zynisch und satirisch unsere Welt. Dabei greift sie häufig auf ihre Lieblingscharaktere den Papst zurück, bezeichnet Roger Federer als Hoden der Nation und möchte bei der Freundin ihrer Mutter, die sich bei der Sterbehilfe angemeldet hat, mit einem Sack Blumenerde als Abschiedsgeschenk aufwarten. Hazel passiert, so heisst ihre Show und das trifft so ziemlich auf das Phänomen Hazel Brugger zu. Sie passiert im Augenblick. Im nächsten Moment ist sie schon Vergangenheit.
Wibke