Hervé Le Tellier - Die Anomalie
Titel: Die Anomalie
Autor: Hervé le Tellier
Nationalität: F
Jahrgang: 1957
Verlag: Rowohlt
Seiten: 352
Stell dir vor, du reist im März von Paris nach New York. Dein Flugzeug gerät in ein Gewitter und wird ordentlich durchgeschüttelt, doch es kann schliesslich in New York landen. Du lebst dein Leben weiter, aber dieses Ereignis beeinflusst deine nächsten Handlungen massiv. Im Spätsommer kriegst du einen Anruf vom FBI, weil du genau mit demselben Flugzeug noch einmal in New York gelandet bist. Es gibt deine Version vom März noch einmal. Du hast nun eine Kopie von dir selber, einen Doppelgänger.
Pro
Hervé Le Teller beschreibt packend und mit einer Prise Humor, wie die USA auf diese Anomalie im Weltgefüge reagiert und was das mit den Menschen macht. Wie erklärt man sich dieses Phänomen, diese Anomalie, die anscheinend auch schon mal in China passiert ist? Dafür werden Wahrscheinlichkeitstheoretiker, aber auch Vertreter aller grossen Religionen befragt. Es entsteht ein interessantes philosophisches Gespräch über die Existenz des Menschen, den Sinn unseres Daseins und die Simulationstheorie. Dann werden die Doppelgänger aufeinander losgelassen. Dabei beschäftigt man sich selber mit der Frage: Wie würde ich damit umgehen, wenn es mich plötzlich doppelt gäbe? Für jedes Figuren-Duo hat Le Tellier kreative und unerwartete Einfälle. So viel sei schon verraten, der Schluss des Buches ist überraschend, einfach ein Knüller. «Die Anomalie» ist ein packendes, humorvolles und intelligentes Buch, das du nicht mehr aus den Händen legen willst, dich zum Lachen, zu Gesprächen und zum Nachdenken anregt. Eine absolute Lesempfehlung.
Contra
Im ersten Teil des Buches werden jedes Kapitel der
Einführung einer Figur gewidmet. Die Kapitel schliessen mit einem packenden
Cliffhanger. Diese Spannung hat mich derart gefesselt, dass die Seiten nur so
an mir vorbeiflogen. Doch dann brach die Spannung in der Mitte des Buches
abrupt an. Der bemühte Dialog über den Sinn des Lebens, die unterschiedlichen Ansichten der Weltreligionen sowie der Diskurs über die Simulationstheorie lässt auch den kleinsten Funken erlöschen. Danach schafft es der Autor leider nicht mehr, das Feuer wieder zum Lodern zu bringen, was die Lektüre zäh und trocken macht. Auch habe ich unterdessen
vergessen, welche Figurkonstellationen im ersten Teil vorgestellt wurden und schaffe es kaum noch, eine Verbindung zum ersten Teil wiederzustellen. Eine interessante Idee mit guten Ansätzen, die jedoch gegen Schluss versandet und nicht mehr überzeugt.