Jana Revedin – Margherita
Titel: Margherita
Autorin: Jana Revedin
Geburtsjahr: 1965
Nationalität: D
Verlag: Aufbau Verlag
Seiten: 304
Jana Revedin erzählt in ihrem aktuellen Buch «Margherita» die Geschichte von Aschenputtel neu. Die Geschichte beginnt im Jahr 1920, als Margherita gemeinsam mit ihren Schwestern einen Kiosk führt. Täglich trägt sie Zeitungen in Venedig aus, so auch zum Grafen Antonio Revedin. Er verliebt sich in die selbstbewusste junge Frau und bittet Margherita schliesslich seine Frau zu werden. Jana Revedin lässt uns teilhaben, wie Margherita gemeinsam mit ihrem Mann Antonio nachhaltig das Bild Venedigs prägt und die Stadt zur Weltmetropole verwandelt, in die Peggy Guggenheim, Pablo Picasso, Greta Garbo, Coco Chanel, Ernest Hemingway und viele andere Berühmtheiten reisen. Mitreissend erzählt uns Jana Revedin die Geschichte ihrer eigenen Familie und schildert mit ihrem Blick für Architektur die Entwicklung und Schicksalsjahre Venedigs quasi aus erster Hand. Denn Margherita ist niemand anderes als die Grossmutter von Jana Revedins Ehemann Antonio, dem heutigen Hafenmeister von Venedig.
Wibke
Pro
Wäre Revedins Buch ein grossformatiger Bildband, würde man es unter die Kategorie «Coffee-Table-Book» einreihen. Ein anschauliches, leicht verdauliches und jederzeit vorzeigbares Buch, mit einem Gute-Laune-Faktor und vielen informativen Momentaufnahmen. Fernab von jeglicher moralisierender Tourismuskritik zeigt uns Revedin die Anfänge des modernen Venedigs mit Fremdenverkehr, Kunst- und Architekturbiennalen und Prominenz. Mehr noch: Sie zeigt anhand einer eindrücklichen Lebensgeschichte auf, was es heisst, etwas zu initiieren, etwas zu verändern, eine ganze Region und Stadt in die Zukunft zu führen. Die Autorin macht da und dort Namedropping, ganz im Stil einer Anekdotensammlung. Sie erzählt von einer Welt, in der alles möglich scheint, in der tatsächlich in jedem Anfang ein Zauber innewohnt. Sie schreibt ein Buch über die Vergangenheit, von der wir noch so einiges lernen können. Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, würden einige einwenden wollen, aber auch die Hoffnung ist dem Untergang geweiht. Dass das nur bedingt stimmt, beweist die Autorin mit ihrer Hauptfigur Margherita: Sie lässt nicht locker, sie steht wieder und wieder auf und wird so für viele ein Vorbild. Es bleibt die Hoffnung auf eine Fortsetzung dieses Buchs in der einen oder anderen Form. Dann vielleicht mit einer Vision für die Fortsetzung des venezianischen Traums nach dem momentanen, zwischenzeitlichen Unterbruch.
Markus
Contra
Es hätte ein tolles Buch werden können. Alles lag da, wie auf dem Präsentierteller: Eine perfekte Aschenputtelstory mit Höhen und Tiefen, geschrieben vom echten Leben, eine wunderbare Kulisse in der romantischsten Stadt der Welt, berühmte Persönlichkeiten, eine sympathische und charakterstarke Hauptfigur. Doch was macht Jana Revedin daraus? Einen vor Kitsch triefenden Roman mit leblosen Figuren, die sich in hölzernen Dialogen über Oberflächlichkeiten unterhalten. Einzig der Kulisse vermag Revedin Leben einzuhauchen. Mit ihrem geübten Blick fürs architektonische Detail erweckt die gelernte Architektin die Palazzi, Kirchen und Klöster zum Leben. Es sind diese Beschreibungen, die das Buch erträglich machen. Mit Margherita hingegen wird die Leserin nicht so recht warm. Zu sauber, zu perfekt schreitet die Protagonistin durch den Roman. Sobald ein Anflug von Ärger, Streit, Wut, Trauer, Zweifel – überhaupt von emotionaler Tiefe aufscheint, wird er mit einem Lächeln, einer Plattitüde oder schlicht einem plötzlichen erzählerischen Zeitsprung erstickt. Es wäre sehr viel lesenswerter gewesen, hätte Revedin Margheritas Geschichte nicht geglättet, sondern auch die Verwerfungen und Schluchten, die das Leben mit sich bringt, aufgezeigt!
Sara