Peter Stamm - Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt
Autor: Peter Stamm
Jahrgang: 1963
Nationalität: CH
Verlag: S. Fischer
Seiten: 160
Alternder Schriftsteller trifft junge Frau. Die
junge Frau gleicht einer Frau, die der Schriftsteller vor zwanzig Jahren
geliebt hat. Der Freund der jungen Frau lebt die Biografie des jungen
Schriftstellers. Er ist sein Doppelgänger. Der einzige Roman, den der
Schriftsteller zustande brachte, damals, vor zwanzig Jahren, erzählte die
Geschichte seiner Liebe zu der jungen Frau, damals. Über das Leben und die
Liebe spricht man am besten zu Fuss, und so wandern Christoph, der alternde
Schriftsteller, und Lena, die junge Frau, zusammen durch Stockholm und
unterhalten sich.
Pro
Die Literatur greift ins Leben ein, Fiktion und Realität verschwimmen, und am Ende sind Autor und Protagonist, Schreiber und Geschriebenes kaum mehr voneinander zu unterscheiden. Es sei, sagt Lena, die junge Frau, „als wäre mein Leben eine Geschichte“, als wäre es „unabänderlich“ wie ein Buch. Die Motive in Peter Stamms neuem Roman sind bekannt. Es gibt eine Fülle intertextueller Bezüge zur Literaturgeschichte. Zumindest ist das zu vermuten. Denn Peter Stamm gehört nicht zu den Autoren, die ihre Belesenheit aufdrängen. Adalbert von Chamissos „Peter Schlemihl“ (1814) mag einem in den Sinn kommen, vielleicht auch Max Frischs Erzählung „Montauk“ (1975), vor allem aber Peter Stamms eigener Erfolgsroman „Agnes“ (1998). Das könnte affig sein und affektiert. Ist aber unglaublich leicht, märchenhaft klug und betörend verwirrend. Christoph, der alternde Schriftsteller, fühlt sich, als er seine möblierte aber seltsam unbelebte neue Wohnung betritt, sofort wohl: „Auch mein Leben war ein leerer Raum, in dem nur die Schatten an den Wänden verrieten, dass er einmal bewohnt gewesen war.“ Die Frage ist: Kann man Literatur auch zu gut können?
Heinz
Contra
Selten war ein Buchtitel so treffend für dessen Inhalt, denn die Lektüre hinterliess bei mir eine sanfte Gleichgültigkeit gegenüber dem Gelesenen. Bilder blieben keine zurück, da keine gebildet wurden. Beschreibungen zu den Protagonisten Christoph und Magdalena fehlen komplett, eine Imagination wird verwehrt. Es scheint dem Autor nur um das Spiel mit der Fiktion in der Fiktion zu gehen. Dieses Spiel treibt er zur Perfektion, allerdings zugunsten des Lesevergnügens, der Identifikation mit den Protagonisten und einem Gefühl nach der Lektüre. Zurück bleibt nur Gleichgültigkeit. Eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Buch. Und damit erreicht der Autor eigentlich genau das, was der Titel suggeriert. Ist dadurch das Buch nicht schon wieder lesenswert? Ich finde, es reicht nicht. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum der Autor ein solches Buch veröffentlicht, das eigentlich nur für den Autor selbst und andere Autoren interessant ist, da sie die Schöpfer von Welten sind und damit spielen können, was der vermeintlichen Realität entspricht und was Fantasie ist. Nicht-Autoren müssen dieses Buch nicht lesen.
Wibke