Thomas Hürlimann - Heimkehr

Buchtitel: Heimkehr

Autor: Thomas Hürlimann

Jahrgang: 1950

Nationalität: CH

Erscheinungsjahr: 2018

Verlag: S. Fischer

Seiten: 528


Heinrich Übel, Sohn des bekannten Verhüterli-Produzenten Dr. Heinrich Übel, ist seit 40 Semestern an der Universität Zürich immatrikuliert, lebt in einer Mansarde und kümmert sich um einen Kater, den er Dada nennt. Beim Schreiben seines Lebenslaufes für die Universität gerät er in eine Krise und schreibt nicht eine, zwei oder drei Seiten, nein, er verfasst gar einen Roman. Denn mit der Realität hat das Geschriebene am Ende vermutlich wenig zu tun, sondern entspringt eher der Fantasie Heinrich Übels. Auf der ersten Heimkehr verunfallt er und wacht in Sizilien wieder auf. Auf der zweiten Heimkehr geschehen wunderliche Ereignisse, trifft Heinrich spannende Menschen und beschäftigt er sich mit der Thematik der Heimkehr des verlorenen Sohnes. Zum Schluss bleibt das Fazit: On ne revient pas.  

 

Pro 

Ein typischer Hürlimann denke ich beim Lesen. Und doch gerade anders. Die Story noch schneller, das Erzählen noch begnadeter, die Einfälle noch absurder und gewitzter. Mit dem Protagonisten hat der Autor wohl einiges gemein, wie mit vielen anderen Protagonisten seiner Werke. Dies bleibt nicht die einzige Konstante, die sich durch dieses Buch zieht: Durch die Wiederholung, durch das “Gängigmachen” schaffen sich Hürlimanns Gedanken in die unseren. Es scheint, als würde Heinrich Übel auf seiner Irrfahrt durch ganz Europa und die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht am Vorbild und der ewigen Leuchtkraft seines Vaters und der Väter vorbeikommen; er droht daran zu scheitern, schnelllebig, witzig und dann wieder sicher und todernst wie alte Holzschuhe statt neumodiger Gummistiefel, die Heinrichs Vater neben den bekannten Verhüterli auch noch produziert. Von der technischen Entwicklung und ihrer Bedeutung für unser Leben, über die freie und weniger freie Liebe hin zu politischen Zeitfragen ist für jeden Interessierten etwas dabei. Dass das Buch trotzdem nicht beliebig würde, dafür sorgt Hürlimann mit dem Einbrennen von Wahrheiten. So wie jener, die der Geschichte ihre Tiefe gibt. Es ist die Erfahrung, die jedem einmal Weggebliebenen eigen ist: Man kehrt vielleicht zurück, aber niemals mehr heim. 

Markus

 

Contra 

Ein „furioses Feuerwerk“ von „archaischer Wucht“ ist er also geworden, der neue Roman von Thomas Hürlimann. Hürlimann, der mittlerweile auf die 70 zugeht, hat seine Leser überrascht und die Kritiker mit seinem „wunderlichen wundersamen wundervollen Buch“ begeistert.

Es ist immer noch alles da, was man aus seinen früheren Romanen kennt: der übermächtige Vater, die jüdische Abstammung, überhaupt das Biografische – und irgendwo schleicht immer ein Kater herum. Allerdings ist alles ein klein wenig verschoben und aus den Fugen geraten, ein 528 Seiten langer Fiebertraum.

Der Text ist gespickt mit Verweisen – auf die Odyssee, auf die Biografie des Autors, seine Krankheit und eine zurückliegende Nahtoderfahrung und in der letzten Szene kommt sogar der gestiefelte Kater vor. Das ist karnevalesk und ziemlich irr (manche mögen es auch witzig finden) und man mag das Buch auch gar nicht schlecht finden, weil es ja ohne Zweifel gekonnt gemacht und irgendwie auch intelligent ist.

Nur: Ein Sog will sich nicht einstellen beim Lesen. Es ist vielmehr ein Buch, das man respektvoll tage-, wochen-, monatelang vor sich hinwälzt, um es dann dreiviertelgelesen ins Bücherregal zu stellen, ein Buch, das Kulturfreunde in Partygesprächen gut finden werden, ohne es wirklich gelesen zu haben. 

Heinz