Wolf Haas - Junger Mann

Buchtitel: Junger Mann

Autor: Wolf Haas

Jahrgang: 1960

Nationalität: AT

Erscheinungsjahr: 2018

Verlag: Hoffmann und Campe

Seiten: 238

 

Der österreichische Krimiautor Wolf Haas fischt regelmässig ausserhalb seines angestammten Genres um den Kommissar Brenner. Mit «Junger Mann» erzählt er die Geschichte eines Jugendlichen, der neben dem Gymnasium an einer Tankstelle jobbt, um sich sein Taschengeld zu verdienen. Im ersten Teil des Buchs erfährt der Leser, wie der Junge eine Frau, Elsa, kennenlernt und mit gewissenhafter Konsequenz für sie sein eigenes Übergewicht reduziert, um seine Attraktivität zu steigern. Der Ich-Erzähler schwärmt sehr für Elsa und begibt sich mit deren Ehemann, dem etwas hemdsärmeligen aber liebenswürdigen Tscho auf einen Roadtrip hinter den damaligen eisernen Vorhang: über das ehemalige Jugoslawien nach Griechenland ans Meer. Die beiden ungleichen Figuren – Tscho bezeichnet seinen Begleiter im Lastwagen gerne mal als Pfaffen – erleben dabei einige Abenteuer und gehen miteinander tatsächlich durch dick und dünn.

 

Pro

Mit dem Schalk im Nacken erzählt Haas mit einer österreichischen Lockerheit, was einem Teenager mit 13 Jahren alles durch den Kopf geht. Sympathisch und humoristisch wird die Sicht von einem typischen Jungen erzählt, der sich zum ersten Mal in seinem Leben Hals über Kopf verliebt und dabei alles darum herum ausblendet. So realisiert er etwa nicht, dass seine Herzensdame Elsa, die Mitte 20 sein muss, sich nie und nimmer in ihn verlieben wird und ist bestürzt, als er herausfindet, dass Elsa ihrem Mann Tscho alles über ihre gemeinsamen Aktivitäten erzählt, ihr gemeinsames Geheimnis ausgeplaudert hat. Haas erlaubt dem Leser in die Vergangenheit zu reisen und sich an seine Teenagerjahre zu erinnern. Gleichzeitig erinnert Haas auch an die 70er-Jahre, in der die Erzählung spielt, damals als autofreie Tage eingeführt wurden und es noch nicht selbstverständlich war, regelmässig in die Ferien zu reisen, geschweige denn zu fliegen. Haas ist es mithilfe einer lockeren und humoristischen Sprache gelungen, eine jugendlich leichte Erzählung mit ernsten gesellschaftlichen Themen zu verbinden. Der Zugang zur Geschichte wird durch die Verwendung von umgangssprachlichen österreichischen Ausdrucken erleichtert. Sie sagen jetzt vielleicht: „Gegehgeh.“ Finden Sie es selber heraus. Es lohnt sich.

Wibke 


Contra

Der Plot hätte auf einer Briefmarke Platz: Ein dicker 13-Jähriger namenloser Bub in der österreichischen Provinz verliebt sich im Sommer 1973 in die 10 Jahre ältere Dorfschönheit Elsa und unternimmt mit ihrem rüpelhaften Mann Tscho in dessen Lastwagen einen Trip nach Jugoslawien. Das Buch ist in der ersten Hälfte ein bisschen Heimatroman und in der zweiten ein bisschen Roadmovie. Die Geschichte einer ganz normalen Pubertät in Österreich in den 1970er Jahren, 45 Jahre später von Wolf Haas „rückwärts durch die Knie betrachtet“. Das ist ganz unaufgeregt und also sympathisch, wie auch die Retro-Waage mit dem orangen Frotteebezug, die das Buchcover ziert. Das Buch erinnert dumpf an einfachere Zeiten. Die Sätze sind kurz und mindestens so schlank wie der Bub dick ist. Man möchte sagen: ein lässiges Buch. Und liebgemeint. Das Problem ist nur: Es kommt alles so wohlkalkuliert rüber. Die Dialoge steuern die Pointen an, wie Marcel Hirscher seinen nächsten Slalomsieg: mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit. Aber ein bisschen weniger schneidig. Passt eh.Prosa für die kabarettistische Abendlesung vor der Fangemeinde. Der Abend wäre, würde man denn hingehen, wahrscheinlich lässig.

Heinz